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Großbritannien will Gentechnik deregulieren

- Schon zu EU-Zeiten unterstützte die britische Regierung Agro-Gentechnik soweit es ihr möglich war. Nach dem Vollzug des Brexits hat sie jetzt freie Bahn, ihr Gentechnikrecht neu zu gestalten. Und will dabei offenbar keine Zeit verlieren.

Als ersten Schritt auf dem Weg zu einem neuen Gentechnikrecht hat das britische Umweltministerium DEFRA eine öffentliche Konsultation gestartet, um neue gentechnische Verfahren zu deregulieren. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe durch sein angeblich „fehlerhaftes“ Urteil von 2018 das „Potenzial dieser Verfahren blockiert“ und den „wissenschaftlichen Fortschritt erstickt“, sagte UK-Umweltminister George Eustice. Jetzt sei die Regierung frei, „politische Entscheidungen zu treffen, die auf Wissenschaft und Beweisen basieren. Das beginnt mit dieser Konsultation.“ Bis zum 17. März können die Briten den Plan des Ministeriums kommentieren. Es will sämtliche gentechnisch veränderten Organismen (GVO) vom Gentechnikrecht ausnehmen, die auch durch konventionelle Züchtung hätten entstehen können, unabhängig davon, ob es sich um neue oder alte gentechnische Verfahren handelt. Nach der Auswertung der Antworten sei mit Gesetzesänderungen innerhalb von ein bis zwei Jahren zu rechnen, heißt es im Konsultationstext.

Wird britisches Gentechnik-Gesetz komplett abgeschafft und auch „alte“ Gentechnik dereguliert?

Dieser enthält noch einen zweiten Teil, in dem DEFRA einen umfassenderen Blick auf das Gentechnikrecht wirft, das es nach 30 Jahren auch insgesamt überarbeiten will. Die Fragen zielen darauf ab, ob es eigene Gentechnikregelungen überhaupt braucht oder die anderen Lebensmittelgesetze genügen, um die Sicherheit von gentechnisch veränderten Lebensmitteln zu gewährleisten.

„Es ist klar, dass die Regierung diese Konsultation nutzt, um einen Prozess der Neubewertung aller ihrer Vorschriften rund um alte und neue gentechnische Verfahren einzuleiten“, schreibt Pat Thomas, Direktor der Organisation BeyondGM. Da es auf absehbare Zeit keine mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellten Pflanzen und Tiere gebe, „werde die Regierung, wenn sie gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen will, darüber nachdenken, ob sie auch GVOs älteren Stils deregulieren will“.

England gegen den Rest von UK

„Zweifelsohne erwägt die Regierung in Westminster die Deregulierung aller GVO“, schreibt Claire Robinson, Chefredakteurin der Plattform GMWatch. Sie geht davon aus, dass die Regierung versuchen werde, die neue Gentechnik schnell zu deregulieren und anschließend mit einer breit angelegten Gentechnikdebatte zu beginnen.

Doch die ist bereits im Gange. Schottland, Wales und Nordirland hatten 2015 nach den damals geltenden EU-Regeln für Gentechnik-Anbauverbote optiert und sehen sich jetzt durch die Londoner Pläne in ihrer Anti-Gentechnik-Haltung angegriffen. Schottland könnte bald „gezwungen sein, die Vermarktung, den Verkauf und den freien Verkehr“ von gentechnisch veränderten Lebensmitteln zu akzeptieren, warnte die dortige Regierung.

DEFRA Consultation Hub: The regulation of genetic technologies (07.01.2021)

DEFRA: The regulation of genetic technologies. A public consultation on the regulation of genetic technologies (Januar 2021)

GMWatch: UK: Public consultation on de-regulating gene editing launched (07.01.2021)

GMWatch: Brexit: Scotland may be "forced" to sell GM food if England changes law (08.01.2021)

The Grocer: Gene editing debate represents first test of UK divergence from EU rules (08.01.2021)

Brexit: Deregulierte Gentechnik in UK? (05.08.2020)

Boris Johnson auf Gentechnik-Kurs (21.10.2020)