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Großbritanniens Fahrplan für Gentechnik-Deregulierung

- Die britische Regierung will den Brexit nun auch im Gentechnikrecht vollziehen. Mit neuer Gentechnik entwickelte Pflanzen sollen bald aus dem Gentechnikrecht ausgenommen werden. Das soll die Rolle Großbritanniens als eines der führenden Länder für Gentechnikforschung stärken. Auf britische Landwirte und Lebensmittelexporteure kommen schwere Zeiten zu.

Das britische Umweltministerium DEFRA will noch vor Ende des Jahres auf dem Verwaltungsweg verordnen, dass Feldversuche mit Gentechnik-Pflanzen keine Genehmigung mehr brauchen, sondern nur noch angemeldet werden müssen. Einzige Voraussetzung ist, dass die gentechnischen Änderungen theoretisch auch mit herkömmlichen Züchtungsmethoden entwickelt worden sein könnten.

Deregulierung neuer Gentechnik womöglich nur der erste Schritt

Solche Pflanzen sollen dann in einem nächsten Schritt ganz aus dem Gentechnikrecht ausgenommen werden. Von ihnen gehe kein höheres Risiko aus als von Produkten herkömmlicher Züchtung, behauptet das Ministerium. Es will lediglich prüfen, „welche Maßnahmen erforderlich sind, damit gentechnisch veränderte Produkte auf den Markt gebracht werden können, einschließlich der Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und der Rückverfolgbarkeit.“ Dabei würden die hohen britischen Standards für Umwelt- und Lebensmittelsicherheit „selbstverständlich beibehalten“ und nicht geschwächt, versprach Umweltminister George Eustice.

Organismen, bei denen fremde DNA ins Erbgut eingefügt wurde, sowie veränderte Nutztiere sollen vorerst weiter dem Gentechnikrecht unterliegen. Doch die Regierung kündigte bereits an, dass sie nach diesen ersten Schritten die gesamten Gentechnikregelungen überprüfen wolle.

Lebensmittelhersteller warnen: Export in die EU wird erschwert

Der Verband der britischen Pflanzenzüchter begrüßte die Ankündigung des Ministers. Auch der Bauernverband, die National Farmers Union, begrüßt den Schritt und hofft auf krankheitsresistente und klimaangepasste neue Pflanzen, die die Saatgut-Hersteller versprechen. Das sieht der Lebensmittelhersteller-Verband Food and Drinks Federation zwar ähnlich, warnte jedoch schon im Januar vor den möglichen Folgen einer Deregulierung für Exporte in die EU. Auch die zuständige Gewerkschaft befürchtet, dass die britischen Gesetzespläne zu zusätzlichen Handelsbarrieren für britische Lebensmittel führen könnten und damit Arbeitsplätze gefährdet wären. Denn auch mit neuer Gentechnik hergestellte Organismen brauchen eine Zulassung, wenn sie in die EU eingeführt werden. Zusätzlich kompliziert wird die geplante Deregulierung durch den föderalen Staatsaufbau Großbritanniens. Die Regierungen von Schottland und Wales haben den Vorstoß der DEFRA kritisiert und mitgeteilt, dass sie an den EU-Regeln und dem Vorsorgeprinzip festhalten wollen.

Deregulierung trotz mehrheitlicher Ablehnung: „Ohrfeige für die Demokratie“

Der jetzt verkündete Fahrplan ist die Antwort der DEFRA auf eine im Februar 2021 abgehaltene Konsultation. 6440 Antworten hatte das Ministerium nach eigenen Angaben bekommen. 88 Prozent der Bürgerinnen und 64 Prozent Unternehmen hätten sich dafür ausgesprochen, neue gentechnische Verfahren wie bisher unter das Gentechnikrecht zu stellen, räumte das Ministerium ein. Trotz dieser eindeutigen Zahlen folgte es in seiner Einschätzung einigen wenigen gentechnikfreundlichen Stellungnahmen wissenschaftlicher und öffentlicher Institutionen. Eine „Ohrfeige ins Gesicht der Demokratie“, nannte die Organisation GMWatch deshalb den Fahrplan des Ministeriums. Es ignoriere komplett die wissenschaftlichen Belege für die Risiken neuer gentechnischer Verfahren für Verbraucher und Umwelt. Auch der britische Bio-Verband Soil Association lehnt die Regierungspläne vehement ab.

DEFRA: Consultation outcome Genetic technologies regulation: government response (29.09.2021)

DEFRA: Consultation outcome Genetic technologies regulation: government response explainer (29.09.2021)

DEFRA: Plans to unlock power of gene editing unveiled (29.09.2021)

National Farmers Union: Plans set out for future of gene editing (29.09.2021)

Sky News: Gene editing of British produce could cause problems for exports to the EU (10.01.2021)

Food Manufacture: Gene editing ban reviews spark Unite union concern (07.05.2021)

GMWatch: Putting money before life (29.09.2021)

GMWatch: Scotland, Wales won't follow Westminster govt on gene editing deregulation (02.10.2021)