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Özdemir unterstützt Forderungen nach Wahlfreiheit und Koexistenz

- Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat am 7. März 2025 in Stuttgart den Offenen Brief der Unternehmensinitiative „Lebensmittelwirtschaft für Wahlfreiheit bei Gentechnik im Essen“ entgegengenommen. Der Minister versprach den Geschäftsführer:innen von dm, Alnatura und weiteren Unterzeichner:innen, sich für die Forderungen der Unternehmen einzusetzen. Schon in wenigen Tagen könnte es eine wesentliche Weichenstellung dazu in Brüssel geben.

Übergabe Offener Brief: Minister Özdemir (3.v.r.) mit Daniel Arzt (l., Junges Bioland Baden-Württemberg), Arlend Huober (2.v.l., Huober Brezel), Lucas Rehn (3.v.l., Alnatura), Sönke Guttenberg (2.v.r., VLOG) und Kerstin Erbe (r., dm-drogerie markt). Foto: Alnatura/Marc Doradzillo

Stellvertretend für die Unternehmensinitiative übergab Lucas Rehn, Mitglied der Alnatura Geschäftsleitung, den von 376 Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft aus 16 EU-Ländern unterstützten Brief in einem Alnatura Markt in Stuttgart-Zuffenhausen an Minister Özdemir. Die Unterzeichner:innen fordern neben der Pflicht zur Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit auch EU-weit verbindliche, national und regional angepasste Koexistenz-Maßnahmen, Haftungsregeln gemäß dem Verursacherprinzip, einen Entschädigungsfonds für unvermeidbare Kontaminationen sowie die Verpflichtung für Gentechnik-Firmen, bei Markteinführung von Pflanzen aus neuer Gentechnik (NGT) auch Nachweismethoden dafür bereitstellen zu müssen.

Özdemir: Initiative ist gutes und wichtiges Zeichen

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte bei der Briefübergabe: „Es ist ein gutes und wichtiges Zeichen, dass sich so viele Unternehmen aktiv dafür einsetzen, Verbraucherinnen und Verbrauchern auch in Zukunft eine bewusste Entscheidung für Produkte ohne Gentechnik zu ermöglichen. Ich bin überzeugt, wer gentechnikfrei wirtschaften möchte, muss dies auch weiterhin tun können – ohne zusätzliche Hürden. Dafür sind im Umgang mit neuen genomischen Techniken neben dem Vorsorgeprinzip drei Punkte zentral: Koexistenz, Transparenz und Wahlfreiheit, und zwar in allen Stufen. Auch die Frage der Patentierbarkeit muss gelöst werden.

Auf EU-Ebene ist es bislang nicht gelungen, zum Umgang mit NGT einen akzeptablen Interessenausgleich zwischen Verbraucherseite, Landwirtschaft sowie Verarbeitung und Handel herzustellen. Auch der jüngste Vorstoß der polnischen Ratspräsidentschaft enthält keine ausreichenden Verbesserungen zu den zentralen Themen Koexistenz, Transparenz, Wahlfreiheit und der Patentierbarkeit.

Ich setze im weiteren Verfahren nach wie vor auf eine Klärung der offenen Fragen und Nachbesserungen für eine faire, praktikable und gesellschaftlich akzeptierte Regulierung von Pflanzen, die mithilfe der neuen genomischen Techniken erzeugt wurden – und die gleichzeitig weiterhin die Forschungsfreiheit gewährleistet. Dafür werden wir uns in Brüssel auch in den nächsten Wochen und Monaten einsetzen.“

Unternehmer:innen schildern Özdemir konkrete Auswirkungen von Gentechnik-Deregulierung

Nach der Briefübergabe schilderten Vertreter:innen der Unternehmen Alnatura, Alb-Gold, dm und Huober dem Bundesminister die Konsequenzen einer Deregulierung des EU-Gentechnikrechts für ihre Unternehmen ganz konkret und erläuterten ihm ihre politischen Forderungen bei Rundgängen im Alnatura-Markt und im dm-Markt.

Für die Nachverfolgbarkeit von Gentechnik, Wahlfreiheit vor dem Regal und einen fairen Wettbewerb im europäischen Lebensmittelhandel, erklärte Kerstin Erbe, Geschäftsführerin für Produktmanagement und Nachhaltigkeit bei dm-drogerie markt: „Es geht uns bei dm um nicht mehr und nicht weniger als Transparenz und Wahlfreiheit, darum, dass mit einer verpflichtenden Kennzeichnung aller gentechnisch veränderter Lebensmittel – auch neuer Gentechnik – den Bürgerinnen und Bürgern ein bewusster Konsum eines für alle zugänglichen Sortiments von Bio-Lebensmitteln möglich ist.“

Alnatura Gründer Götz Rehn stellte klar: „Im Bio-Landbau ist der Einsatz von Gentechnik gesetzlich verboten. Das muss auch für die sogenannte neue Gentechnik in Zukunft gelten. Für eine Koexistenz und den fairen Wettbewerb zwischen den verschiedenen Konzepten ist es wesentlich, dass die Kundinnen und Kunden den Unterschied zuverlässig durch eine verpflichtende Kennzeichnung erkennen. Den Einsatz der neuen Gentechnik in der biologischen Landwirtschaft lehnen wir konsequent ab.“

Arlend Huober, Geschäftsführer von Huober Brezel, betonte: „Wo Gentechnik drin ist, muss Gentechnik ausgelobt werden. Dies muss auch in Zukunft so bleiben. Die Kundschaft hat ein Recht auf Transparenz und Entscheidungsfreiheit. Nachweispflicht, Rückverfolgbarkeit und Haftungsfragen müssen verbindlich und unmissverständlich beim Verursacher verortet werden. Es kann nicht sein, dass Unternehmen, die im Sinne einer nachhaltigen Lebensmittelwirtschaft ökologische Lebensmittel herstellen, durch das neue Gesetzesvorhaben benachteiligt werden.“

Oliver Freidler, Geschäftsführer beim Familienunternehmen Alb-Gold Teigwaren, ermutigte Özdemir, sich für den Verbraucherschutz einzusetzen: „Die Wahlfreiheit am Regal ist ein hohes Gut. Unsere Kunden wollen wissen, was in den Spätzle und Nudeln von Alb-Gold steckt. Deshalb muss die Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln, die gentechnisch veränderte Zutaten enthalten, erhalten bleiben.“

Dringender Appell: Unbedingt Gentechnik-Kennzeichnungspflicht in Ratsposition aufnehmen!

Seit Juli 2023 läuft das von der EU-Kommission angestoßene Verfahren zur Deregulierung neuer Gentechnik (NGT). Das Europaparlament hat sich 2024 dazu positioniert. Nur im Agrarministerrat, der die EU-Mitgliedsstaaten vertritt, gab es bislang keine Einigung. Daher haben die Unternehmen sich mit ihrem zweiten Offenen Brief an dieses Gremium gewandt.

Seit Anfang 2025 macht die amtierende polnische Ratspräsidentschaft Druck für einen zügigen Kompromiss. Im aktuellen Vorschlag fehlen aber nach wie vor Lösungen für Koexistenz, Transparenz und Wahlfreiheit. Eine durchgehende Kennzeichnungspflicht über die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Endprodukt ist – anders als in der Parlamentsposition – bisher nicht vorgesehen. Es wäre fatal, wenn dieser unausgegorene Vorschlag überstürzt schon am 14. März 2025 weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem technischen Vertreter:innen-Ausschuss in Brüssel als Position des Ministerrates für die folgenden Trilog-Verhandlungen festgelegt würde.

Die Unternehmen appellieren deshalb an Minister Özdemir, seinen Einfluss geltend zu machen, um zunächst die notwendigen Punkte zu ergänzen und sich erst dann auf politischer Ebene im Ministerrat auf eine gemeinsame Position zu verständigen.

Offener Brief: Unterstützer

Der Offene Brief ist eine Initiative der deutschen Unternehmen Alb-Gold Teigwaren GmbH, Alnatura Produktions- und Handels GmbH, Andechser Molkerei Scheitz GmbH, Milchwerke Berchtesgadener Land Chiemgau eG, dm-drogerie markt GmbH + Co. KG, Frosta Tiefkühlkost GmbH. Die Unternehmen werden dabei durch mehrere Verbände unterstützt: Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), European Non-GMO Industry Association (ENGA), Bioland, Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL), Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN).

Offener Brief an Cem Özdemir