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EU-Mitgliedsstaaten positionieren sich zu ungarischem NGT-Papier

- Die Stellungnahmen von 15 EU-Mitgliedsstaaten in einer informellen Abfrage der ungarischen Ratspräsidentschaft zu den ungeklärten Fragen in Bezug auf die Deregulierung neuer gentechnischer Verfahren (NGT) sind veröffentlicht. Die NGT-Befürworter beharren auf den bekannten Argumenten, die Deregulierungsgegner bringen neue Aspekte ein. Ein Land wechselt unerwartet seine Position.

EU-Agrarminister:innen am 23.09.2024 in Brüssel, Foto: European Union

Non-Paper gibt Raum für Diskussion

Gleich zu Beginn seiner Ratspräsidentschaft am 1. Juli 2024 hat das grundsätzlich gentechnikkritische Ungarn mit einer informellen Abfrage (Non-Paper) an die Gentechnik-Arbeitsgruppe der EU-Mitgliedsstaaten die Deregulierungsdebatte neu eröffnet. Österreich, Kroatien, Rumänien, die Slowakei und auch Deutschland, begrüßen das ungarische Diskussionspapier ausdrücklich als Möglichkeit, Lösungen für ernstzunehmende und noch nicht berücksichtigte Punkte in der festgefahrenen NGT-Diskussion zu finden.

NGT-kritische Staaten: Bedenken und Fragen müssen geklärt werden  

Neben Österreich antwortet Rumänien besonders ausführlich und wirft umfangreiche Fragen zu Vorschriften bei der Einfuhr und Ausfuhr von NGT-Produkten auf. Diesem bisher wenig beleuchteten Punkt sollte unter rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus nachgegangen werden. Rumänien zitiert Berichte des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums USDA, listet eine Reihe von wichtigen Agrarnationen auf, die sich gegen NGT-Pflanzen aussprechen und befürchtet negative Effekte auf den internationalen Handel. Es fordert die EU-Kommission auf, einen mit dem Cartagena-Protokoll harmonisierten Rechtrahmen umzusetzen sowie eine schriftliche Stellungnahme der Weltzollorganisation WCO über die Vereinbarkeit der NGT-Deregulierung mit dem Cartagena-Protokoll und anderen internationalen Vereinbarungen einzuholen.

Interessant ist der Wandel in der Haltung Griechenlands, das bisher die Deregulierungspläne nicht kritisiert hatte. In der jetzigen Stellungnahme hat es jedoch für die Beibehaltung der bestehenden GVO-Rechtsvorschriften plädiert. Das Land argumentiert mit Biodiversität und dem Vorsorgeprinzip: Es handle sich um neue Techniken und es gebe keine Erfahrungswerte für die sichere Verwendung dieser Pflanzen und ihrer Produkte sowie für ihre Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier.

Deutschland kann sich zwar weiterhin wegen unterschiedlicher Auffassungen der Koalitionspartner nicht eindeutig positionieren und hat sich in Abstimmungen bisher enthalten. Doch stellt das BMEL zu allen neun Punkten des Non-Papers detaillierte, konstruktive Fragen und bittet die Kommission um weitere Informationen beispielsweise zur Definition von Äquivalenzkriterien, zur Kennzeichnung oder zu Exporten in und Importen aus Drittländern sowie bezüglich möglicher Verstöße gegen das Cartagena-Protokoll.

Pro-NGT-Staaten liefern keine überzeugenden Antworten

Staaten, die den Kommissionsentwurf unterstützen, äußerten erwartungsgemäß ihr Unverständnis über die von der ungarischen Ratspräsidentschaft neu angestoßene Debatte. Irland, Finnland, Schweden, Dänemark, Litauen, Lettland, die Niederlande, Zypern und Spanien gehören zur Gruppe der NGT-Befürworter, aus deren Sicht NGT-Pflanzen als sicher gelten, weshalb sie zusätzliche Äquivalenzkriterien, Risikoprüfungen, analytische Nachweismethoden und Rückverfolgbarkeit sowie eine durchgehende Produktkennzeichnung für nicht notwendig halten. Die NGT-Befürworter plädieren dafür mit den Verhandlungen an der Stelle weiterzumachen, die unter spanischer und belgischer Ratspräsidentschaft bis Februar 2024 erreicht wurde. Sie liefern allerdings keine überzeugenden Antworten auf strittige Schlüsselfragen, sondern wiederholen praktisch unisono die bekannten Positionen. Im Agrarrat konnte bisher keine Einigung erzielt werden, sodass der für die Weiterführung des Gesetzgebungsverfahrens notwendige Trilog noch nicht gestartet werden konnte.

Kein Fortschritt bei der Konsensfindung erwartet

Nach Einschätzung von Insidern ist aufgrund der festgefahrenen Positionen in Sachen Neuregulierung des Gentechnikrechts, ein Fortschritt unter der ungarischen Ratspräsidentschaft unwahrscheinlich. Eine nächste Sitzung der zuständigen Arbeitsgruppe ist erst Mitte November 2024 geplant. Das nächste Treffen der Agrarminister:innen findet am 23. September 2024 statt. Ob das Thema auf der Tagesordnung steht, ist noch unklar. Minister István Nagy, derzeitiger Ratsvorsitzender für Landwirtschaft und Fischerei hat bei Übergabe eines Offenen Briefes der europäischen Lebensmittelwirtschaft für Transparenz und Wahlfreiheit zugesagt, dass er sich für die Anliegen der Unternehmen einsetzen will.

Im Non-Paper, das seit dem 23. August 2024 öffentlich ist, haben die oben genannten Mitgliedsstaaten Position bezogen. Weitere Staaten, die im Februar den Kommissionsvorschlag unterstützten, haben sich nicht geäußert. Bei der Abstimmung im Agrarrat im Februar, hatten 17 Pro-NGT-Staaten die notwendige qualifizierte Mehrheit von 55 Prozent der EU-Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, verfehlt.

EU-Dokument zu den Positionen von 15 EU-Staaten zum ungarischen Diskussionspapier (Non-Paper) (Englisch)

Die deutsche Position im Non-Paper (Englisch)

Ungarns Non-Paper eröffnet die Debatte neu

Offener Brief der europäischen Lebensmittelwirtschaft