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EU-Parlament bleibt Gentechnik-kritisch

- Das Europäische Parlament lehnt gentechnisch veränderte Pflanzen weiter klar ab. Mit einer Mehrheit von über zwei Drittel haben die Abgeordneten die EU-Kommission aufgefordert, vier mehrfach gentechnisch veränderten Mais- und einer Sojapflanze die beantragte Zulassung als Lebens- und Futtermittel zu verweigern.

Foto © Europäisches Parlament

Die EU-Kommission wird die fünf Beschlüsse voraussichtlich ignorieren und die Zulassung dennoch erteilen. So wie in 43 Fällen davor. Schon im Juni 2020 beschwerten sich deshalb 50 Parlamentarier in einem Brief an Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans über dieses undemokratische Vorgehen. Zuvor hatten im Mai 477 Abgeordnete die Zulassung der Gentech-Soja MON 87708 × MON 89788 × A5547-127 abgelehnt. Das sei bis dahin die höchste Zahl der Ablehnungen gewesen, hieß es in dem Brief an Timmermans. Jetzt stimmten bis zu 490 Abgeordnete gegen eine Zulassung. Der Widerstand gegen die Agro-Gentechnik im Europäischen Parlament ist offenbar stabil.

Gutes Zeichen für künftige Abstimmungen zum EU-Gentechnikrecht

Das ist ein gutes Zeichen. Denn bei den derzeitigen Zulassungen kann die Kommission das Abgeordnetenvotum zwar übergehen, doch wenn es künftig um die Frage geht, ob das EU-Gentechnikrecht zugunsten neuer Verfahren wie CRISPR/Cas geändert werden soll, wird das nicht möglich sein. „Wir freuen uns, dass die große Mehrheit des Parlaments dem Wunsch der europäischen Wählerinnen nach gentechnikfreier Land- und Lebensmittelwirtschaft so deutlich Ausdruck verleiht“, kommentiert VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting das Abstimmungsergebnis. „Und wir gehen davon aus, dass sich die Abgeordneten genauso enschieden allen Versuchen in den Weg stellen werden, das Vorsorgeprinzip und die Kennzeichnungspflicht im EU-Gentechnikrecht für neue gentechnische Verfahren in Frage zu stellen.“

Gentechnik-Lobby stellt Vorsorgeprinzip in Frage

Solche Versuche gibt es auch in den Reihen des Parlaments. Das Bauernnetzwerk Via Campesina berichtete, drei Europa-Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen hätten gemeinsam an Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides geschrieben, „um sie davon zu überzeugen, das Vorsorgeprinzip und die Folgenabschätzung zu ignorieren, die die EU-Entscheidungen zum Thema GVO bisher geleitet haben“. Die Mitarbeiter von Kyriakides sollen bis April 2021 eine von den Mitgliedsstaaten geforderte Studie zum Status der neuen Gentechniken im Lichte des EuGH-Urteils vorlegen. Der Termin gilt als Startsignal für die Debatte um eine mögliche Änderung des EU-Gentechnikrechts. Darauf arbeiten die Lobbyisten der Agrarindustrie in Brüssel und in den Mitgliedsstaaten schon lange hin.

Kleine, aber mächtige Minderheit will Gentechnik deregulieren

Via Campesina berichtete, wie in Italien, Frankreich und auf EU-Ebene „eine kleine, aber mächtige Minderheit von Lobbygruppen der Saatgut- und Agrarindustrie“ darauf dränge, das Gentechnikrecht zu deregulieren. So würden im Landwirtschaftsausschuss des italienischen Parlaments derzeit vier Dekrete kursieren, die darauf abzielen, die Einführung neuer gentechnischer Verfahren in Italien zu genehmigen. In Frankreich missachte die Regierung bewusst eine Entscheidung des obersten Gerichtshofes. Dieser hatte im Februar 2020 die Regierung angewiesen, innerhalb von sechs Monaten ein nationales Gesetz zu erlassen, um das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Neuen Gentechnik vom Juli 2018 umzusetzen.

Wie erfolgreich die Lobbyverbände der Agrarindustrie arbeiten, haben die Lobbywächter von Corporate Europe Observatory an einem anderen Beispiel aufgezeigt: der im November von EU-Parlament und Mitgliedsstaaten beschlossenen Gemeinsamen Agrarpolitik der EU.

European Coordination Via Campesina: Seed industries continue to push for deregulation of GMOs (11.12.2020)

Corporate Europe Observatory: CAP vs Farm to Fork: Will we pay billions to destroy, or to support biodiversity, climate, and farmers? (12.10.2020)

EU-Abgeordnete kritisieren undemokratische Gentechnik-Zulassungen (09.07.2020)

Neue Gentechnik: Anhörung mit Schlagseite (10.02.2020)