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EU-Rechtsexperte: Gentechnikrecht gilt auch für CRISPR/Cas
Der Generalanwalt hatte dafür plädiert, einen Teil der neuen gentechnischen Verfahren aus dem Gentechnikrecht herauszunehmen. Seine Position: Alles was theoretisch mit herkömmlicher Züchtung erreichbar ist, darf im Labor auch mit gentechnischen Verfahren gemacht werden und gilt dennoch nicht als Gentechnik. Daran ändert aus Sicht des Generalanwaltes auch das Vorsorgeprinzip im EU-Recht nichts. Er stützt seine Auffassung darauf, dass die im EU-Gentechnikrecht vorgesehene Ausnahme für Mutagenese auch für die als Genome Editing bezeichneten neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas gelte.
Diesem Ansatz widerspricht Krämer detailliert. Er weist darauf hin, dass diese Mutagenese-Ausnahme schon im Vorgängergesetz von 1990 enthalten gewesen sei – und zwar aus einem einzigen Grund: Sie sollte klarstellen, dass die in der konventionellen Züchtung angewandte Mutagenese durch Chemikalien oder radioaktive Strahlung nicht unter das Gentechnikrecht fällt, weil die langjährige Anwendung ihre Sicherheit längst belegt habe. Genau das sei bei den neuen Gentechnik-Verfahren nicht der Fall. Deswegen müssten laut Krämer Pflanzen und Tiere, die in ihrem Erbgut mithilfe von Genome Editing verändert wurden, in einem Zulassungsverfahren auf ihre Risiken untersucht werden, bevor sie freigesetzt oder importiert werden könnten.
Krämer erinnert in seinem Gutachten daran, dass die Freisetzungsrichtlinie Anfang des Jahrtausends entstand, weil der damalige EU-Zulassungsprozess in die Krise geraten war. Die neue Richtlinie sollte verlorenes öffentliches Vertrauen wiederherstellen und ein hohes Schutzniveau für Umwelt und Gesundheit garantieren. Deshalb könne man nicht, wie der Generalanwalt, argumentieren, dass mit der Mutagenese-Ausnahme gezielt die Tür offengehalten worden sei, um neue, damals noch unbekannte Verfahren vom Gentechnikrecht auszunehmen. Der Gesetzgeber von 2001 habe sicherstellen wollen, dass nur genetisch veränderte Organismen in die Umwelt entlassen werden, deren Sicherheit bereits langfristig belegt sei, oder die die gründliche Risikoabschätzung des Gentechnikrechts durchlaufen haben.
Damals sei auch der Vorsorgegrundsatz sehr prominent in das Gentechnikrecht aufgenommen worden, schreibt Krämer. Seine Verankerung im ersten Artikel der Richtlinie zeige, dass der gesamte Zulassungsprozess vom Vorsorgedanken bestimmt sein sollte. Das bedeute: Wenn es Unsicherheiten in der Einschätzung der Risiken von neuen Gentechnik-Verfahren gibt, muss der Gesetzgeber auf Nummer sicher gehen und die Risiken untersuchen lassen.
VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting begrüßte es, dass Professor Krämer als einer der Autoren der Freisetzungsrichtlinie von 2001 noch einmal deren Entstehungsgeschichte in den Focus gerückt habe: „Der in der Richtlinie 2001/18 festgelegte Zulassungsprozess hat die Bedenken der großen Mehrheit der Menschen in der EU gegenüber gentechnisch veränderten Organismen aufgenommen.“ Diese Bedenken bestünden auch gegen neue gentechnische Verfahren. „Die EU-Kommission sollte dem Geist der Freisetzungsrichtlinie treu bleiben und diese Verfahren ohne Ausnahme dem Gentechnikrecht unterwerfen“, sagte Hissting.
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