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Keine Gentechnik-Deregulierung mehr vor der Europawahl

- Die Pläne der EU-Kommission für eine neue Gentechnik-Gesetzgebung sind auf die kommende Legislaturperiode vertagt. Das verschafft Zeit, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen und weitere Mitgliedsstaaten von den Risiken einer Gentechnik-Deregulierung zu überzeugen.

Europaparlament, Source: EP

Gesetzgebungsprozess wegen mangelnder Einigung vertagt

Die Mitgliedsstaaten, die seit Anfang an dem Entwurf der EU-Kommission zur Deregulierung neuer genomischer Techniken (NGT) kritisch gegenüberstehen – darunter Polen, Österreich, Kroatien, Slowakei und Deutschland –, lehnen die Pläne in ihrer jetzigen Form auch weiterhin ab. Ihre Bedenken konnten bislang nicht ausgeräumt und die ungeklärten Fragen zu Rückverfolgbarkeit und Patentierung nicht geklärt werden.

Auch Cem Özdemir bleibt bei seiner ablehnenden Haltung. Bislang konnte keine Einigung im EU-Agrarministerrat erzielt werden, so dass nun die Zeit für eine Finalisierung des Gesetzes vor der EU-Wahl nicht mehr reicht. Der belgische Landwirtschaftsminister David Clarinval erklärte im Namen der aktuellen Ratspräsidentschaft seines Landes deshalb, dass die neue Gentechnik-Gesetzgebung auf die nächste Legislatur verschoben wird.

VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting kommentiert: „Der Aufschub der Gentechnik-Neuregulierung ist eine gute Nachricht für Verbraucher:innen und insbesondere für die Bio- und „Ohne Gentechnik“-Lebensmittelwirtschaft. Eine ökologisch wie ökonomisch so folgenschwere Entscheidung darf nicht auf den letzten Metern übers Knie gebrochen werden. Dazu sind die Bedenken zu groß und noch zu viele Fragen ungeklärt. Für Minister Cem Özdemir gilt es nun, die gewonnene Zeit zu nutzen und Überzeugungsarbeit bei seinen Amtskolleg:innen aus anderen EU-Ländern zu leisten.“

Kurz nach der Europawahl wechselt am 01.07.2024 die EU-Ratspräsidentschaft zu Ungarn. Auch das ist eine gute Rahmenbedingung dafür, alle kritischen Argumente noch einmal sorgfältig prüfen zu können. Denn das traditionell gentechnikkritische Ungarn wird sicher keine Deregulierung im Eiltempo vorantreiben.

Erkenntnisse des Anses-Gutachten müssen berücksichtigt werden

Die Diskussion über neue Gentechnik hat durch ein brisantes Gutachten der französischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Anses neuen Zündstoff erhalten. Die Ergebnisse des Anses-Gutachtens wurden in einer Anhörung am 09.04.2024 im Umweltausschuss des EU-Parlaments vorgestellt. Kritiker:innen einer Gentechnik-Deregulierung wurden durch die Ergebnisse der umfangreichen Untersuchungen in ihren Bedenken bestätigt. Die EU-Kommission hingegen wies sämtliche Kritikpunkte und aufgezeigten Risiken aus dem Gutachten zurück.

Sprecher der EU-Kommission und NGT-Befürworter:innen betonten einmal mehr die „wissenschaftliche Grundlage“ der Gesetzesvorlage und beriefen sich dabei vor allem auf die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina sehen auch nach den neuen kritischen wissenschaftlichen Gutachten von Anses und anderen nach wie vor keinen Anlass, ihre Stellungnahmen zur „Gleichstellung“ von NGT-Pflanzen mit Pflanzen aus herkömmlicher Züchtung zu revidieren.

Alexander Hissting fordert: „Die Debatte muss weitergehen, die Ergebnisse des Anses-Gutachtens müssen gründlich geprüft werden und in der Entscheidungsfindung Berücksichtigung finden.“

Weitere Abstimmung im EU-Parlament zur Sicherung des Status Quo

Das Europaparlament hatte im Februar grundsätzlich einer Deregulierung von NGT knapp zugestimmt, sich jedoch überraschend für eine durchgehende Kennzeichnung von allen NGT-Produkten vom Saatgut bis zum Endprodukt ausgesprochen.

Um den Fortgang des Gesetzgebungsprozesses in der neuen Legislaturperiode zu sichern, soll am 24.04.2024 erneut im Parlament abgestimmt werden. Trotz der neuen Erkenntnisse etwa durch das Anses-Gutachten wird erwartet, dass die Lager sich nicht verschieben und das Votum wie im Februar ausfällt.

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