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Streit um Gentechnik-Gesetz geht weiter

- Der Streit um die Änderung des Gentechnik-Gesetzes geht weiter. Der Bundestag hat den Regierungsentwurf am Freitag an die Ausschüsse überwiesen. Opposition und Verbände kritisieren, dass das Kanzleramt nach monatelangem Hin und Her plötzlich aufs Gas drückt – obwohl die Bundesländer, denen künftig bei Entscheidungen über Anbauverbote von transgenen Pflanzen eine wichtige Rolle zukommt, noch nicht dazu Stellung nehmen konnten.

Auf Betreiben des Kanzleramtes wurde der Entwurf als „besonders eilbedürftig“ eingestuft, berichten Medien. Nur so könne das Gentechnik-Gesetz noch in dieser Legislaturperiode geändert werden. Ziel ist es, das auf EU-Ebene beschlossene Opt-Out-Verfahren im deutschen Recht zu verankern. Allerdings, so Kritiker, werden die Hürden für Anbauverbote von gentechnisch veränderten Pflanzen dadurch viel höher als von der EU vorgesehen.

So sollen neben den Ländern gleich ein halbes Dutzend Bundesministerien an der Frage beteiligt werden, ob der Landwirtschaftsminister gegen eine konkrete Gentechnik-Pflanze zu Felde zieht. Eine solch komplizierte Prozedur verlangt die EU-Vorgabe keineswegs. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) könnte ohne Weiteres Brüssel informieren, dass der Anbau hierzulande unerwünscht ist. Die Pflanzenhersteller hätten dann die Möglichkeit, Deutschland aus dem Zulassungsantrag zu streichen. Andernfalls könnte Schmidt ein Verbot aussprechen.

Doch der Minister will diese Verantwortung los werden. Seinem Entwurf zufolge müssten die Bundesländer sogar bereits vor dem ersten Schritt zwingende Gründe anführen, warum der Anbau nicht stattfinden soll. Auch damit geht Berlin über die EU-Anforderungen hinaus. Und macht jetzt Druck: die Bundesländer konnten sich zum aktuellen Entwurf noch gar nicht äußern, da der Bundesrat erst Mitte Dezember wieder tagt.

Dem Regierungspartner SPD gefällt das alles nicht. Werde das Opt-Out wie von Schmidt geplant umgesetzt, werde der neue Mechanismus „kompliziert, zeitaufwändig und störanfällig“, so die Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß und Matthias Miersch. „Wir werden daher in den parlamentarischen Beratungen auf Änderungen drängen, um die Gentechnikfreiheit der Landwirtschaft in Deutschland zu erhalten und die Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik anzuerkennen – wie dies im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.“

Die Grünen forderten die SPD auf, Wort zu halten. „Das Gesetz ist nicht mal ein schlechter, sondern überhaupt kein Kompromiss. Im Gegenteil, Schmidt stößt die Bundesländer, die schon längst einen guten Gesetzentwurf vorgelegt haben, vor den Kopf mit diesem Alleingang und Täuschungsmanöver“, kritisierte die Oppositionspartei am Freitag. „Dieses Gesetz ist pure Wählertäuschung und nützt niemandem außer der Industrie.“

Auch von Agrar- und Verbraucherschutzverbänden kommt Kritik. „Die Gentechnikfreiheit der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft, der Lebensmittelerzeugung, Saatguterzeugung und Imkerei ist im derzeitigen Entwurf nicht gesichert“, so Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Benedikt Haerlin von Save our Seeds warnte, der Gesetzesentwurf berge „handwerkliche Schwächen“.

Was den Gentechnik-Gegnern ebenfalls sauer aufstößt: die Regierung will offenbar nicht nur das Opt-Out im Gesetz verankern, sondern auch gleich neuen Gentech-Verfahren wie CRISPR/Cas9 den Weg ebnen. Denn erst kurz vor der Verabschiedung im Kabinett wurde eine Passage in den Entwurf eingefügt, laut der fragliche Organismen künftig „im Rahmen von Einzelfallprüfungen (…) eine prozess- und produktbezogene Betrachtung und Bewertung“ durchlaufen sollen. Im Fall eines neuartigen Rapses hat das bereits dazu geführt, dass er von deutschen Behörden als nicht gentechnisch eingestuft wurde. Dabei hat die eigentlich zuständige EU-Kommission immer noch nicht entschieden, wie die neuen Methoden zu betrachten sind – zudem beschäftigt sich 2018 wohl auch der Europäische Gerichtshof mit dieser Frage. Die Regierung argumentiert in ihrem Entwurf, es würden sowohl das Vorsorgeprinzip als auch ein „Innovationsprinzip“ zu Grunde gelegt.

Vor kurzem erklärte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) jedoch im Reuters-Interview zu den neuen Techniken: „Es ist wichtig, auch hier die GVO-Zulassungskriterien anzuwenden. In der Tat kann man manchen Pflanzen am Ende nicht mehr ansehen, dass sie genmanipuliert sind. Das kann aber nicht bedeuten, dass sie als konventionell zu werten sind.“ Auch der Verband Lebensmittel Ohne Gentechnik (VLOG) fordert, die neuen Verfahren genauso zu behandeln wie die „klassische“ Gentechnik.

Die Debatte über das Gentechnik-Gesetz sorgt jedenfalls weiter für Verwirrung. Der VLOG bekräftigt daher seine Position, die er bereits im Oktober gegenüber der Bundesregierung vertreten hat: Für Deutschland ist es ein wichtiger Standortvorteil, dass hierzulande keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden. Die gentechnik-freie Wirtschaft hätte jedoch mit stark steigenden Kosten zu rechnen, wenn künftig in einigen Regionen Gentechnik auf den Acker gelangt. Die wirtschaftlichen Nachteile überwögen deutlich die womöglich kurzfristigen Ertragssteigerungen einiger weniger Landwirte.

Entwurf zur Änderung des Gentechnik-Gesetzes (28.11.2016)

Informationsdienst Gentechnik: SPD-Fraktion fordert Änderungen am Gentechnikgesetz (02.12.16)

Reuters: Umweltministerium will engen Rahmen für neue Gentechniken (29.11.16)

VLOG: Gesetzentwurf verhindert gentechnikfreien Anbau (18.10.16)

VLOG: Stellungnahme zum Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes (14.10.16)