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Streit um Glyphosat
- Worum geht es?: Glyphosat ist ein Totalherbizid, das seit den 1970er Jahren eingesetzt wird. Monsanto hielt lange das Patent („Roundup“), mittlerweile gibt es viele Hersteller. In Deutschland werden laut Behörden circa 6.000 Tonnen pro Jahr verkauft, auf 40 Prozent der Landwirtschaftsflächen kommt das Mittel zum Einsatz – bei Kulturen wie Raps oder Körnerleguminosen sind es deutlich mehr.
- Warum der Streit?: Glyphosat galt lange als relativ unbedenklicher Wirkstoff. Die auf zehn Jahre angelegte EU-Zulassung wäre Ende 2015 ausgelaufen und sollte routinemäßig verlängert werden. Doch im Frühjahr stufte die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC), eine Einrichtung der WHO, Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen ein. Das ist die zweithöchste Gefahrenstufe (2A). Seitdem reißt die Diskussion nicht ab.
- Wer gegen wen?:
1) Auf der einen Seite steht die IARC. Ihr internationales Wissenschaftlergremium besteht aus angesehenen Forschern, die nach einer umfassenden Prüfung von öffentlich zugänglichen Studien zu Glyphosat und glyphosat-haltigen Spritzmitteln feststellten, es gebe ausreichende Belege, dass Labortiere dadurch an Krebs erkrankten, „starke“ Hinweise auf eine erbgutschädigende Wirkung bei Menschen und Tieren sowie „begrenzte“ Hinweise für eine krebserregende Wirkung bei Menschen. Insgesamt sei deshalb das Urteil: „wahrscheinlich krebserregend“. Diese Einschätzung sei angesichts der Datenlage noch „sehr konservativ“, erklärte einer der beteiligten Wissenschaftler bei einer Anhörung vor dem Agrarausschuss des Bundestags.
Unterstützt wird die IARC durch verschiedene Wissenschaftler-, Ärzte- und Verbraucherschutzorganisationen. Sie kritisieren vor allem das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das innerhalb der EU bei der Neubewertung von Glyphosat federführend war. Der Behörde wird vorgeworfen, Studien aussortiert zu haben, die eine krebserzeugende Wirkung nahelegen. Teilweise seien Inhalte dieser Studien falsch wiedergegeben worden, kritisieren zum Beispiel der frühere Universitätsprofessor Eberhard Greiser und der Toxikologe Peter Clausing.
2) Auf der anderen Seite stehen – abgesehen von Glyphosatherstellern wie Monsanto – europäische Risikobewertungsbehörden, insbesondere das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Sie geben an, nach Auswertung aller Studien – darunter Untersuchungen der Industrie, die nicht veröffentlicht wurden – kein erhöhtes Krebsrisiko durch Glyphosat festgestellt zu haben, sofern das Spritzmittel „bestimmungsgemäß“ eingesetzt werde. Die Unterschiede kämen beispielsweise daher, „dass das IARC nicht nur den reinen Wirkstoff Glyphosat bewertet hat, sondern auch glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel. Diese enthalten neben dem Wirkstoff auch Beistoffe, die zum Teil toxischer als der Wirkstoff Glyphosat sind.“
- Wie geht es weiter?: Der Expertenstreit ist noch lange nicht geklärt. Letztlich muss die Entscheidung über die weitere Zulassung von Glyphosat aber von der Politik getroffen werden. Die EU hat das erst einmal vertagt, um den Behörden mehr Zeit einzuräumen. Deshalb wurde die Zulassung übergangsweise bis Ende Juni 2016 verlängert.
Auch die Frage nach dem Danach wird bereits gestellt. Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands beispielsweise warnte im Agrarausschuss des Bundestags, ein Verbot von Glyphosat werde dazu führen, dass „Cocktails“ aus anderen Herbiziden aufs Feld gebracht würden. Epidemiologen wie Greiser betonen jedoch, dass es für krebserregende Stoffe keine akzeptable Mengen gebe, die ein Mensch gefahrlos aufnehmen kann. Die Gifte akkumulierten sich über Jahre im Körper.
IARC: Glyphosat-Bewertung als „wahrscheinlich krebserregend“
Deutscher Bundestag: Öffentliche Anhörung zu Glyphosat (28.09.15)
BfR: Mehr Sachlichkeit in der Diskussion um die EU-Wirkstoffprüfung von Glyphosat gefordert (28.09.2015)
Deutschlandfunk: Glyphosat Viele internationale Hinweise auf Krebsrisiko (27.09.15)
taz: Neues Zulassungsverfahren für Pestizid - Pflanzengift wird geschont (29.09.15)