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Neue Gentechnik nachweisen: Bundesregierung stark verspätet
Vor zwei Jahren hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass auch neue gentechnische Verfahren wie CRISPR den Zulassungsregeln des EU-Gentechnikrechts unterliegen. Seitdem ist auch klar, dass es Nachweisverfahren braucht für Organismen, die mit diesen Verfahren hergestellt wurden. Nur so lässt sich verhindern, dass sie als Verunreinigung oder illegale Lieferung ohne Zulassung in die EU kommen.
Das hat nun auch das Bundeslandwirtschaftsministerium erkannt und eine „Machbarkeitsstudie zu Nachweis- und Identifizierungsverfahren für genomeditierte Pflanzen und pflanzliche Produkte“ ausgeschrieben. Sie soll dem Ministerium als „externe Entscheidungshilfe“ für das weitere Vorgehen dienen, heißt es in der Ausschreibung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Diese richtete sich an öffentliche Forschungseinrichtungen, die bis 15. Juni ihre Projektskizzen einreichen konnten. Nach Angaben der BLE wurden zwei Skizzen eingereicht, „die sich derzeit noch im Bewertungsverfahren befinden. Das Vorhaben wurde noch nicht vergeben“, schrieb die BLE.
Als erstes muss sich die Einrichtung, die den Zuschlag erhält, selbst ihr Forschungsmaterial besorgen: „Ausgangspunkt für das Entscheidungshilfevorhaben ist vorliegendes Referenzmaterial einer genomeditierten markt-relevanten Pflanze (als Schüttgut gehandelte Getreide oder Leguminosen) und deren Elternlinie sowie die vorherige genaue Information über die Genomeditierung. Der Zuwendungsempfänger hat diese Referenzmaterialien sowie die Information über die Genomeditierung zur Verfügung zu stellen.“
Anschließend müssen die Forscher laut Ausschreibung das gesamte Genom sequenzieren und Abweichungen im Erbgut feststellen, die nicht durch natürliche Mutation, sondern durch den Eingriff entstanden sind. In der zweiten Phase soll dann aus diesen Abweichungen ein rechtssicheres Nachweis- und Identifizierungsverfahren entwickelt werden. Gelänge dies, wäre ein Argument von Kritikern des EuGH-Urteils widerlegt, dass ein solcher Nachweis technisch gar nicht möglich sei.
Bleibt die Frage, an welcher Pflanze die Machbarkeit demonstriert werden soll. Die einzige genomeditierte und für die EU derzeit marktrelevante Pflanze ist der herbizidresistente Raps Falco des US-Unternehmens Cibus. Er wird jetzt schon in Kanada und den USA dereguliert angebaut und könnte unbemerkt in die Versorgungsketten gelangen. Die Sojabohne des US-Unternehmens Calyxt mit veränderter Fettsäurezusammensetzung wird dagegen nach Firmenangaben im Vertragsanbau ausgebracht, getrennt geerntet und verarbeitet. Das Risiko, dass solche Bohnen versehentlich in konventionelle Sojalieferungen nach Europa geraten, ist deshalb geringer. Bei beiden Pflanzen könnten deutsche oder europäische Behörden derzeit nicht feststellen, ob ihre Samen eine Lieferung von Raps- oder Sojasaatgut verunreinigt haben.
Das Problem für die deutschen Behörden ist, dass sie US-Unternehmen nicht verpflichten können, ihnen den Bauplan ihrer gentechnischen Entwicklungen herauszugeben. Den bräuchten sie aber nach aktuellem Stand der Wissenschaft, um ein Nachweisverfahren dafür zu entwickeln. Und freiwillig geben Unternehmen eher selten Einblick in die Errungenschaften ihrer Forschung. Daher konnte sich auch für die ausgeschriebene Machbarkeitsstudie nur bewerben, wer gentechnisch veränderte Pflanzen nebst Bauplan mitbringt. In Frage kommen etwa deutsche Labore in öffentlicher Hand, die derzeit gefördert vom Bund daran arbeiten, Gerste, Weizen, Raps und Mais mit Gen-Scheren zu verändern. Sie hätten das notwendige Ausgangsmaterial, anhand dessen sie Nachweisverfahren entwickeln könnten. Diese Verfahren könnten sie zudem für eine spätere Zulassung dieser Pflanzen nach europäischem Recht nutzen.
„Es ist gut, dass so eine Studie kommt, aber sie kommt sehr spät. Erst vier Jahre nach dem EuGH-Urteil soll jetzt überhaupt eine Erkenntnis vorliegen, ob ein Nachweis grundsätzlich machbar ist“, kommentiert VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting die Ausschreibung. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner habe wertvolle Zeit ungenutzt verstreichen lassen. „Unverständlich ist auch, warum die vielen privaten Analyselabore mit ihrer großen Expertise in Gentechnik-Nachweisverfahren von der Ausschreibung ausgeschlossen waren“, so Hissting weiter, „es wirkt ohnehin nicht besonders effizient, jetzt erstmal eine theoretische ‚Trockenübung‘ mit gar nicht praxisrelevanten Pflanzen durchzuführen – wenn es doch eigentlich darum gehen muss, Europas Märkte schnell vor illegalen Importen von Cibus-Gentechnik-Raps zu schützen“. Für die einzige Neue-Gentechnik-Pflanze, die bisher in größerem Stil angebaut wird, müsse Klöckner zügig liefern und ein Nachweisverfahren zur Anwendungsreife bringen, so der VLOG-Geschäftsführer.