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Rechtsgutachten: „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung problemlos möglich
Anfang Mai hatten Anwälte im Auftrag des ZDG ein Gutachten erstellt. Tenor: es käme häufig zu gentechnischen Verunreinigungen von „gentechnikfreiem“ Soja, deshalb sei eine Fütterung von Geflügel „ohne Gentechnik“ nicht möglich. Dabei beruft sich die Kanzlei auf Zahlen des ZDG, wonach in vielen Stichproben Spuren von Gentechnik-Soja gefunden worden seien – und zwar über dem Wert von
0,1 %, ab dem eine Kennzeichnung nötig ist, wenn die Verunreinigung nicht „zufällig“ oder „technisch unvermeidbar“ ist, wie es das Gesetz fordert.
Angesichts der ZDG-Zahlen seien die Bedingungen nicht mehr gegeben – und daher jede „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung im Geflügelbereich hinfällig, so die Anwälte: „Futtermittel mit einem GVO-Anteil oberhalb der Bestimmungsgrenze von 0,1 % entsprechen daher unserer Ansicht nach nicht mehr den Anforderungen an eine Fütterung ohne Gentechnik. Eine entsprechende vertragliche Zusicherung der Fütterung ohne Gentechnik ist daher rechtlich nicht haltbar. Gleiches gilt für die Auslobung 'ohne Gentechnik' bei dem hieraus gewonnenen Geflügelfleisch.“
Aus Sicht des Verbands Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) sind dies nicht belegbare Behauptungen, die sowohl die Interessen der Mitgliedsunternehmen des Verbandes als auch der Verbraucher beeinträchtigen. Daher hat der VLOG die Stellungnahme der ZDG-Anwälte von der Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll. unter die Lupe nehmen lassen. Die Experten für Lebensmittel- und Gentechnikrecht kommen zu dem Schluss, dass das ZDG-Gutachten auf Pauschalisierungen beruht. „Die KWG-Stellungnahme [Anwaltskanzlei des ZDG, Red.] zieht rechtliche Schlussfolgerungen aus Untersuchungsergebnissen über GVO-Anteile in Futtermitteln und stützt sich insbesondere auf Durchschnittswerte. Hieraus rechtliche Schlussfolgerungen für die Verwendbarkeit der Kennzeichnung 'ohne Gentechnik' bei GVO-Anteilen von mehr als 0,1 % zu ziehen, ist weder schlüssig, noch rechtlich haltbar.“
Es gehe hier um einen „Generalverdacht ohne konkrete Hinweise auf eine Falschkennzeichnung im Einzelfall“, der nicht zielführend sei. Vielmehr müsse man sich die einzelnen Glieder der Lieferkette von gentechnikfreien Produkten ansehen. Hier gelte für die Geflügelproduzenten: sie dürfen ihre Ware als „Ohne Gentechnik“ deklarieren, so lange sie davon ausgehen können, dass das verfütterte Soja derart beschaffen ist, dass es nicht als „genetisch verändert“ gekennzeichnet werden muss. Solange sie nicht von einer Falschkennzeichnung ausgehen müssten, darf sich ein Betrieb „auf die Etikettierung des von ihm gekauften Futtermittels verlassen. Verarbeiter und Einzelhändler wiederum dürfen sich auf die Richtigkeit der Erklärungen ihrer Vorlieferanten verlassen.“
Auch berücksichtigten die ZDG-Anwälte nicht die „Vollzugspraxis“, die sich in über 10 Jahren Gentechnik-Gesetzgebung herausgebildet hat, so das Gutachten. Diese hätten die Begriffe „zufällig“ und „technisch unvermeidbar“ durchaus mit Bedeutung gefüllt, auch wenn sie juristisch nicht abschließend geklärt seien. Es gibt also auch hier Standards, an die sich die Branche halten muss. Fazit: „Die Auslobung von Geflügelfleisch 'ohne Gentechnik' bleibt rechtssicher möglich. Die in der Praxis festgestellten GVO-Anteile oberhalb von 0,1 % rechtfertigen nicht, die Aussagekraft von Zusicherungen bezüglich einer gentechnikfreien Fütterung zum Zwecke einer Kennzeichnung von Lebensmitteln tierischer Herkunft als 'ohne Gentechnik' pauschal in Frage zu stellen.“
Der VLOG empfiehlt Geflügelproduzenten, die gentechnikfrei arbeiten wollen, sich die Sojalieferanten dementsprechend auszusuchen. In Brasilien wird ausreichend gentechnikfreies Soja produziert – die Lieferwege nach Europa werden stetig verbessert. Zusammen mit Laboren, Zertifizierern und Futtermühlen ist es gelungen, erfolgreiche Konzepte zur Vermeidung von Gentechnik-Verschleppungen zu erarbeiten. So ermittelte das Zertifizierungsunternehmen CERT ID bei Lieferungen von gentechnikfreiem Soja aus Brasilien in den letzten 12 Monaten, dass bei 99,69 % (648 von 650 Proben) die Verunreinigungen mit Gentechnik-Soja bei unter 0,1% lagen. Nur zwei von 650 Analysen wiesen Spuren bis 0,9% auf, wobei die Ursachen im Hafen zu suchen waren. Es geht also darum, gentechnikfreies Sojaschrot bei den richtigen Quellen einzukaufen, d.h. bei Lieferanten, die physisch und in Dokumentation dem Käufer all das mitliefern, was er zur Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen benötigt. Das ist gut möglich, wie zahlreiche Marktteilnehmer aus Deutschland und der EU jährlich mit Millionen Tonnen Soja beweisen. Leider hat der ZDG einen anderen Weg gewählt – nun beklagt er mit ungeeigneten Mitteln nicht-existente Missstände und verweist dabei auf angebliche Fakten, die es so nicht gibt bzw. die nur einen sehr schmalen Ausschnitt der Marktwirklichkeit widerspiegeln.
VLOG: Anwaltliche Stellungnahme von GGSC
ZDG: Anwaltliche Stellungnahme von KWG
Richtigstellung des VLOG zur anwaltlichen Stellungnahme von KWG