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Status Quo und Perspektiven eines neuen Gentechnikrechts
Der Vorschlag der EU-Kommission bleibt umstritten
Dr. Dietmar Vybiral ist als Vorsitzender des Österreichischen Wissenschaftlichen Ausschusses für die Freisetzung und das Inverkehrbringen von GVO und als Mitglied der EU-Arbeitsgruppe Gentechnik ausgewiesener Experte. Er erläuterte den Vorschlag der EU-Kommission für die Regulierung Neuer Gentechnik (NGT) vom Juli 2023 und ging besonders auf die Kategorisierung der NGT-Produkte ein. Pflanzen mit je bis zu 20 DNA-Veränderungen an bis zu 20 Stellen im Genom werden im Kommissionsentwurf der Kategorie NGT-1 zugeordnet und konventionellen Züchtungen gleichgestellt, deshalb ohne Risikoprüfung zugelassen und nur noch auf der Saatgut-Ebene gekennzeichnet. Der sehr kleine Anteil der Pflanzen, die der Kategorie NGT-2 zugeordnet werden, gelten als nicht äquivalent zu herkömmlicher Züchtung und bleiben reguliert, sollen aber nur ein vereinfachtes Zulassungsverfahren durchlaufen, so Vybiral. Das EU-Parlament nahm im Februar 2024 den Kommissionsentwurf an, votierte jedoch mehrheitlich für eine Kennzeichnung aller NGT-Produkte bis zum Endprodukt. Im Agrarrat hingegen ist der Entwurf weiterhin umstritten, eine Einigung konnte noch nicht erzielt werden.
Patt im Agrarrat – Schlüsselrolle Polens
Bevor die Pattsituation im Agrarrat nicht gelöst ist, kann der für das Gesetzgebungsverfahren notwendige Trilog zwischen Kommission, Parlament und Rat nicht beginnen. Laut Vybiral kommt Polen, das ab Januar 2025 den Ratsvorsitz von Ungarn übernimmt, eine Schlüsselrolle zu. Es könnte die Mehrheit im Agrarrat verschieben, sodass die Trilog-Verhandlungen zustande kommen und der Agrarrat dann mehrheitlich der Deregulierung zustimmt. Vybiral befürchtet einen solchen Schritt, rechnet jedoch spätestens im zweiten Halbjahr 2025 damit, wenn Dänemark den Ratsvorsitz übernimmt. Das Land werde sich vehement für die Deregulierung einsetzen. Vybiral steht für die konsequente Haltung Österreichs gegen die Deregulierung und forderte die Akteure der Ohne-Gentechnik-Branche dringend auf, ihre Regierungen mit ihren Bedenken, den Risiken und den negativen Effekten des geplanten neuen Gentechnikrechts zu konfrontieren und sie von einem Votum dagegen zu überzeugen.
Einigung in diesem Jahr ist nicht in Sicht
Es gebe zu viele ungeklärte Fragen, sagte Vybiral. Ungarn hat zu Beginn der aktuellen Ratspräsidentschaft mit einem Non-Paper versucht, die ungeklärten Fragen zu evaluieren und von 17 Mitgliedsstaaten Feedback erhalten. Den Fortgang der festgefahrenen Verhandlungen hat es jedoch nicht vorangetrieben. Ungarn lehnt Gentechnik ab und hat das sogar offiziell dokumentiert, was Landwirtschaftsminister István Nagy in seinem Grußwort zum Non-GMO Summit hervorhob.
Bisher ist es den Deregulierungsgegnern Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Rumänien und Slowakei gelungen, eine Zustimmung zu den Vorschlägen der EU-Kommission zu verhindern. Die Baltischen und Skandinavischen Staaten sowie Irland und Niederlande gehören zu den Befürwortern eines laxeren Gentechnikrechts, erreichen aber nicht die nötige qualifizierte Mehrheit im Agrarrat. Deutschland war bislang gezwungen, sich wegen Uneinigkeit in der Koalition zu enthalten, auch wenn das BMEL die Vorlage vor allem mit Blick auf Koexistenz und Transparenz kritisiert. Staatssekretärin Silvia Bender versprach in Ihrem Grußwort zum Non-GMO Summit Unterstützung für den Erhalt gentechnikfreier Wertschöpfungsketten und eine gesellschaftlich akzeptierte Lösung.
„Keep calm and carry on! “
Zum Abschluss des Non-GMO Summits gab sich Heike Moldenhauer, Generalsekretärin der European Non-GMO Industry Association (ENGA) aus Brüssel kämpferisch und rief die Ohne-Gentechnik-Branche dazu auf, sich weiterhin engagiert und vehement gegen die NGT-Deregulierung einzusetzen sowie einen kühlen Kopf zu bewahren und die erfolgreiche Branchenstrategie weiterzuverfolgen. Sie nannte viele Gründe, die gegen einen kurzfristigen Siegeszug der Neuen Gentechnik sprechen: Derzeit seien weltweit nur eine Handvoll NGT-Produkte auf dem Markt, in der EU gebe es noch keine. Die Ohne-Gentechnik-Wirtschaft boome und ihre Produkte seien nachgefragt, während Hersteller, Handel und Verbraucher gentechnisch veränderte Lebensmittel mehrheitlich ablehnen. Forschung und Entwicklung von Nachweismethoden machten große Fortschritte, weshalb sie zuversichtlich ist, dass NGT-Pflanzen aus den Wertschöpfungsketten der Ohne-Gentechnik-Wirtschaft auch künftig ausgeschlossen werden können.
Zusammenfassung des Non-GMO Summit
Europäische Unternehmen fordern konsequente Kennzeichnung
Anses Gutachten weist auf Risiken hin
Abstimmung des EU-Parlaments für Kennzeichnung